Folge 46 - Sehnsucht (Joseph von Eichendorff)

Lyrikschule - Un pódcast de Johannes Thiele

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Eichendorffs Gedicht gilt heute als Inbegriff der Romantik. Dabei ist es erst ganz am Ende der Epoche veröffentlicht worden, wie sie heute in der Regel datiert wird. In dieser Folge wird geklärt, warum dieser Text eine so starke kanonische Wirkung hat und natürlich, wie er inhaltlich und formal beschaffen ist. 

Sehnsucht

Es schienen so golden die Sterne,

Am Fenster ich einsam stand

Und hörte aus weiter Ferne

Ein Posthorn im stillen Land.

Das Herz mir im Leib entbrennte,

Da hab' ich mir heimlich gedacht:

Ach wer da mitreisen könnte

In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen

Vorüber am Bergeshang,

Ich hörte im Wandern sie singen

Die stille Gegend entlang:

Von schwindelnden Felsenschlüften,

Wo die Wälder rauschen so sacht,

Von Quellen, die von den Klüften

Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,

Von Gärten, die über'm Gestein

In dämmernden Lauben verwildern,

Palästen im Mondenschein,

Wo die Mädchen am Fenster lauschen,

Wann der Lauten Klang erwacht,

Und die Brunnen verschlafen rauschen

In der prächtigen Sommernacht. -

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